Über das Seelische (III): Das Männliche in der seelischen Landschaft

Im letzten Beitrag ging es darum, dass die Seele in ihrem Ursprung und in ihrem Wesen weiblich ist. Es ist eine zutiefst weiblich geprägte Landschaft. Wir hatten auch gesagt, dass die Seele ebenso zutiefst dem Element Wasser verbunden ist. Aber, so mag man fragen, was ist das für eine Landschaft, die nur aus Wasser bestünde? Wo ist da das „Land“ der Landschaft? Und genau darum geht es nun. Wir könnten gar nicht von Wasser reden, wir hätten keinen Begriff dafür, ohne das Gegenteil, das Land und die Erde zu kennen. Einem Fisch kann man das Konzept Wasser nicht vermitteln.

Entwicklungsgeschichtlich hat sich der Mensch – genauer: seine Vorformen im Stamm der Entwicklung – irgendwann einmal, in grauer Vorzeit, aus dem Wasser heraus begeben und das feste Land für sich gewonnen. Und zumindest beim Menschen ist damit ein bemerkenswerter Vorgang verbunden: Der aufrechte Gang.
Betrachten wir es einmal von der Seite her, wo die beiden Elemente Wasser und Land (Erde) sich begegnen. Wir stellen uns einen Strand vor. Von hier aus können wir ins Wasser, zurück zu unserem Ursprung, und zum Beispiel schwimmen. Wie machen wir das? Horizontal. Wir liegen, mehr oder weniger in der Waagerechten im oder auf dem Wasser. Und was passiert, wenn wir das Element Wasser verlassen? Wir richten uns auf, die Bewegung geht in die Senkrechte.

Und das ist der Kern: Wir wollen uns aufrichten, wir wollen in die Größe, wir streben in die Höhe. Dieses Streben in die Höhe bleibt meist nicht bei der körperlichen Aufrichtung stehen. Wir stellen fest: Das Land hat Berge, hat Höhenzüge. Und da wollen wir hinauf, wir wollen in die Höhe, wir wollen uns erhöhen.

Nun magst du, liebe Leserin oder Leser, denken: Aber nicht jeder Mensch ist doch ein Bergsteiger oder auch nur ein Bergwanderer. Das stimmt natürlich, aber nimm es nicht zu wörtlich, es ist ja nur ein Bild, um etwas zu verdeutlichen. Den Bildinhalt gibt es in jeder menschlichen Seele, auch in den Menschen, die nie in ihrem Leben im wörtlichen Sinn eine Berg erklimmen. Es ist die Orientierung an der Höhe, die Orientierung nach oben, auf welche das Bild hinweisen will. Und die finden wir überall, nicht nur in der Zunft der Bergsteiger.

Am augenfälligsten ist diese Orientierung natürlich in den großen Organisationen. Hier gibt es bei etlichen Menschen das Bestreben, aufzusteigen in der Hierarchie, möglichst ganz nach oben. Das wird als beruflicher Erfolg betrachtet. Was treibt uns in die Höhe? Wir wollen herausragen aus der Masse der Mitmenschen. Wir wollen etwas Besonderes sein.

Aber auch das Streben nach einer Spitzenposition in einer Organisation ist hier nur ein Beispiel, wenn auch ein sehr typisches, für die Bewegung, um die es hier geht. Stellen wir uns einen Menschen vor, sagen wir einen Angestellten in Sachbearbeiterposition ohne weitere berufliche Ambitionen. Hier, auf dieser Position, bleibt er bis zur Rente. Und er ist damit zufrieden. Wo finden wir bei ihm den Drang in die Höhe? Nun vielleicht hat er ein Hobby. Er baut berühmte Gebäude nach mit Streichhölzern. Und sein Ziel, sein Ehrgeiz, besteht darin, den detailgetreuesten Nachbau des Kölner Doms mit Streichhölzern zu bauen, der je erstellt wurde. Damit verbringt er einen großen Teil seiner Freizeit und es sind schon einige tausend Stunden in das Projekt geflossen. Oder sein Bestreben geht dahin, die vollständigste Sammlung osteuropäischer Briefmarken aus den 50er-Jahren zusammen zu tragen, die nur überhaupt möglich ist.

Erkennst du, liebe Leserin und lieber Leser, das Muster? Es ist für den Aspekt des Seelischen, um den es hier geht, einerlei worin genau das Streben und die damit verbundene seelische Energie sich ergießt. Wichtig ist nur, dass es diese Energie gibt. In jedem Menschen.

Das Ego

Es wird Zeit, die Dinge beim Namen zu nennen. Wir reden hier über das Ego eines Menschen. In spirituellen Kreisen hat das Ego einen schlechten Leumund. Hier geht es oft darum, das Ego zu überwinden oder fallen zu lassen. Aber das Ego ist ein trickreicher Geselle. Es schleicht sich immer wieder zur Hintertür hinein. Wenn spirituelle Menschen stolz darauf sind, wie weit sie schon auf dem Weg des Ego-Verlustes gekommen sind, insbesondere natürlich im Vergleich zu den nicht so erleuchteten normalen Menschen, dann grinst das Ego heimlich. Es hat schon gewonnen, es hat dich fest im Griff, meist viel fester als die vermeintlich unerleuchteten, auf die du heimlich hinabsiehst. Du ahnst es schon: In genau diesem hinab sehen lebt das Ego, und zwar höchst komfortabel und vergnüglich. Wie könnte ich hinab sehen auf Andere, wenn ich nicht vorher Höhe gewonnen hätte. Wir sind also wieder beim Thema. Die Behauptung, sich selbst oder anderen gegenüber getätigt, man habe sein Ego überwunden, ist der höchste Triumpf des Egos überhaupt. Was für eine Illusion …

Nun hat dieser Teil der Seelenlandschaft, über welche das Ego im Wortsinne regiert, einige Eigentümlichkeiten. Wir sagten ja schon: Hier wirkt der Sog nach oben. Warum ist das so? Vielleicht einfach, weil es zu dieser Landschaft nun einmal gehört, dass es Erhebungen gibt, größere wie kleinere. Das Wasser kennt dies nicht. Hier gibt es allenfalls einmal Wellenberge größerer oder kleiner Art, aber die sind vergänglich, sie sind flüchtig. Sie können nicht erobert werden, man kann sie allenfalls reiten wie eine Surfer.

Ein berühmter Bergsteiger wurde anlässlich einer prominenten Erstbesteigung eines Gipfels einmal gefragt, warum er all die Strapazen und Gefahren auf sich nähme, warum er unbedingt auf diesen Gipfel wolle. Seine Antwort: „Weil er nun einmal da ist.“ Mehr braucht es nicht als Begründung, zumindest nicht für das Ego. Und – es geht nicht anders – natürlich entfernt man sich mit dem Gang in die Höhe. Man entfernt sich von den Menschen im Tal und man entfernt sich auch vom Wasser, also dem eigentlichen seelischen Element.

Das Ego hat also viel mit Konkurrenz zu tun, mit Wettstreit. Der Größte, der Erste, der Schnellste, der Beste usw. zu sein. Egal in was. Aber worum geht dabei wirklich?
Es geht um die Königswürde. Es geht darum, im Thronsaal und in vollem Ornat den Thron zu besetzen, die Königswürde zu übernehmen. Die herausgehobene Würde ist hier das Schlüsselwort, das eigentliche Motiv. In welchem der zahlreichen Thronsäle sich das Drama abspielt ist dafür genau so wenig wichtig wie die Frage, ob der Königsmantel aus Hermelin ist oder einem anderen Stoff oder wie viel Gewicht in reinem Gold der Reichsapfel oder andere Insignien auf die Waage bringt.

Das Ego ist männlich

Wir hatten gesagt, die Seele selber ist weiblich, ist eine weibliche Landschaft. Aber mitten in ihrem Zentrum finden wir etwas zutiefst männliches. Dieser Teil der Landschaft ist männlich und kann nicht anders als männlich ausgedrückt werden. Ich hatte oben immer die männliche Form verwendet und in der Tat: Es geht hier um den König. Nicht um die Königin. Auch als Frau geht es für dich in diesem Sektor der seelischen Gefilde um den Königsthron. In seiner männlichen Form.

Hier geht es um den Drang zum Höheren, der Entwicklung in die eigene Größe, möglichst die größere Größe. Hier herrscht das Prinzip des Wettbewerbs, des Sich-Messens, des Sich-Vergleichens, der Konkurrenz und damit eben auch der Bewertungen, des Besser- oder Schlechter-Seins. Und dieses Prinzip ist ein genuin männliches. Solltest du eine Frau sein, fällt es dir vielleicht schwerer, dich damit anzufreunden. Nicht nur, damit anzufreunden, dass es das Prinzip gibt, sondern dass es dieses Prinzip in dir gibt. Falls du glauben solltest, du habest das Prinzip des Konkurrierens und des Wettbewerbs nicht in dir (das überlässt du gerne den zurückgebliebenen Neandertal-Männern) dann sei dir versichert: Du täuschst dich!

Allein die Abgrenzung, die du vornimmst, spricht ja schon Bände. Diese Abgrenzung selber ist genau das Motiv, um das es geht. Weil: natürlich denkst du es dir genau so, dass du damit überlegen bist, irgendwie weiter in deiner Entwicklung, reifer, aufgeklärter, friedlicher usw. Wie gesagt: Da kichert dein (männliches) Ego im Innern und feixt sich eins. Je mehr du ihm versuchst zu entkommen, desto fester hat er dich im Griff.

Das ist auch nicht weiter schlimm, vorausgesetzt du weißt darum, dass es so ist und machst dir da keine Illusionen. Dann ist es harmlos und kann sogar recht gemütlich gelebt werden.

Der Mittelteil der seelischen Landschaft in der Astrologie

Wir finden die Entsprechung dieser Gliederung der seelischen Landschaft natürlich auch in der Astrologie. Nehmen wir sie einfach einmal als ein gut 3000 Jahre altes Weisheitssystem, dass sich nur halten konnte, weil es zu Grundstrukturen in unserer Seele spricht, und zwar nicht so sehr in seinen Worten sondern in seinen Bildern, vergleichbar mit den uralten Sagen und Mythen, die ebenso zu uns durch Bilder sprechen, die in Resonanz gehen mit den inneren Bildern der Seele, den Archetypten in der Seele.

Wir hatten im letzten Beitrag gesagt, der Bereich der Seele ist im Wesen zutiefst weiblich. In der Astrologie wird die seelische Landschaft durch den zweiten Sektor, die Häuser 4-6, verkörpert. Und hier finden wir eben an der Spitze dieses seelischen Sektors das 4. Haus und dies entspricht im Wesen dem Zeichen Krebs sowie dem Mond als stoffliche Verkörperung des Prinzips. Und beides ist weiblich bis in die letzte Faser. Aber in der Mitte dieses Quadranten, im 5. Haus, finden wir das Zeichen Löwe und die Sonne. Und das ist genau dein Ego oder eben deine Königswürde. Hier findest du die Kraft und Energie zum Handeln, zum Gestalten und eben auch zum Sich-Durchsetzen. Und ja, wir kommen dem nicht aus: Dies alles steht im Zeichen des männlichen Prinzips.

Es ist bemerkenswert und will gut verstanden werden: In der Mitte, sozusagen im Herzen oder im Kern des Weiblichen steht das Männliche. Und beides sozusagen in Reinform. Es ist kaum möglich, hier nicht an das bekannte Yin-Yang-Symbol zu denken als im Wortsinne Ver-SinnBild-lichung: Ein Bild für einen tieferen Sinn. Es ist eben so: Im Auge des Hurrikans ist es still.

Nun wirst du dich vielleicht fragen: Moment mal, die Landschaft des Seelischen besteht doch laut Astrologie aus drei Teilen (Häusern). Worin besteht denn jetzt der dritte Sektor dieser Landschaft?

Davon soll im nächsten Beitrag die Rede sein.