Nachdem im ersten Teil dieses dreiteiligen Artikels zum "wissenden Feld" die stellvertretende Wahrnehmung als Ausdruck des wissenden Feldes beleuchtet wurde, geht es hier jetzt um das Feld selber. Nämlich um den Feld-Teil in der Bezeichnung "wissendes Feld". Im dritten und letzten Teil wird es dann um den Wissens-Teil in dem Begriff gehen.
Das „Feld“ im wissenden Feld
Damit die Wahrnehmung von seelischen Dynamiken durch Stellvertreter sich entfalten kann, werden die Stellvertreter "aufgestellt" und somit in einer bestimmten Weise zueinander angeordnet, oft inmitten eines Kreises von beobachteten Zuschauern. Und dieses aufgestellt werden von Personen, die für etwas ihnen fremdes stehen, von dem sie nur wenig wissen, kreiert im Zusammenwirken mit der Aufstellungsleitung ein psycho-soziales Feld, das wir im Rahmen der Aufstellungsarbeit das "wissende Feld" nennen. Hier beziehen die Stellvertreter ihre Informationen und Eindrücke und letztlich bezieht die Aufstellungsleitung hier ihre Fragen an die Stellvertreter oder ihre Vorschläge für "lösende Sätze" an die Stellvertreter.
Was hat es nun mit dem Feld im Begriff des „wissenden Feldes“ auf sich? Der Ausdruck geht auf Dr. Albrecht Mahr zurück, der aber immer wieder betont hat, dass es sich hier nicht wirklich um einen wissenschaftlichen, sondern eher um einen poetischen Ausdruck handelt.
Wenn wir von einem „wissenden Feld“ reden, dann erinnert der Feld-Teil in der Bezeichnung an andere Felder. Magnetische Felder zum Beispiel sind in der Lage, Eisenspäne auf einem Blatt Papier in Richtung der magnetischen Feldlinien auszurichten. Daran erkennen wir überhaupt erst das magnetische Feld und die Richtung der Feldlinien, entlang derer dann messbare Kräfte wirken. Ohne das Medium von Eisenspänen auf Papier wäre das magnetische Feld für uns nicht sinnlich warhnehmbar. Ähnlich bewegen elektrische Felder geladene Teilchen entlang der Feldlinien. Gravitationsfelder beeinflussen Körper und ihre Bewegungen, sorgen also zum Beispiel für die gekrümmten Bahnen, auf denen Himmelskörper sich bewegen. Und in elektromagnetischen Feldern passiert es, dass geeignete Schwingkreise in Resonanz geraten – und es entsteht Sprache oder Musik in der Form eines empfangenen Radioprogramms.
Allgemein spricht man in der Schulphysik von Feldern als Trägern von Energie, die Wechselwirkungen zwischen Teilchen und Körpern übertragen und vermitteln ohne direkten Kontakt wie etwa Stoß oder Reibung.
Auch physikalischen Feldern ist es also eigentümlich, dass wir die Felder selber nicht sinnlich wahrnehmen können, sondern nur die Kräfte und Wirkungen, welche diese Felder ausüben auf etwas, was in dieses Feld gerät. Dann sagen wir: Da wirkt etwas als Kraft auf eine Materie – also muss es ein Feld geben, welches dieses Kraft bereit stellt und vermittelt.
All dies sind erst einmal nur Analogien. Die Analogien besagen: Es ist kein so ungewöhnliches Phänomen, dass eine Wirkung auf etwas von etwas anderem ausgewirkt wird, ohne dass ein direkter Kontakt besteht. Und das wäre die Annahme, die in der Redeweise vom wissenden Feld enthalten ist: Es gibt seelische Kräfte und Bewegungen in jedem von uns, die wirken, ohne dass wir etwas über ihre tatsächliche Struktur und innere Natur wissen müssen. Die Wirkungen dieser Kräfte, wie wir sie über die stellvertretende Wahrnehmung erfahren, zeigen etwas über das Feld, dass hier wirkt. Es wird etwas sichtbar, was sonst verborgen bliebe – weil wir keine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung dafür haben. Wenn es aber einmal sichtbar ist, können wir die Information nutzen, so wie in der Seefahrt ein Kompass zu Navigation benutzt werden kann, auch wenn der nutzende Seefahrer wenig über die physikalischen Gesetze des Magnetismus oder die Eigenheiten des Erdmagentfeldes, das hier genutzt wird, weiß.
(Allerdings, dazu mahnt das zuletzt benutzte Bild eben auch: Sehr wohl muss der Seemann zur Navigation etwas über Ausmaß und Richtungen der Missweisung einer Kompassnadel wissen, die sich daraus ergibt, dass magnetischer und geografischer Nordpol nicht zusammenfallen, dieser Unterschied auch nicht stabil in der Zeit ist und je nach Position und Kurs höchst unterschiedlich bedeutsam sein kann. Und ebenso muss er sein Handwerk, die Seefahrt selber, das Manövrieren von Wasserfahrzeugen, die Einflüsse von Wetter und Strömungen, die Regeln der Navigation usw. beherrschen.)
Bleiben wir mit Albrecht Mahr dabei, dass es sich hier um eine poetische (bildhafte, assoziative) Beschreibung handelt, so kann die Redeweise vom wissenden Feld über die Analogien und Vergleiche zu anderen Feldern es für den Verstand leichter machen, anzuerkennen, dass Menschen fremde seelische Impulse empfinden und ausdrücken können, ohne viel über diese Menschen oder die tatsächlichen Geschehnisse z.B. in deren Herkunftsfamilie zu wissen.
Das wäre also das Wichtige an dem Feldbegriff im wissenden Feld: Es wird leichter vorstellbar, dass die stellvertretende Wahrnehmung, die „Besetzung“ durch fremde Impulse oder Emotionen, vielleicht ein wirklich natürlicher Vorgang sein könnte. Und das vielleicht daran wenig Spukhaftes oder „Magisches“ anhaftet. So wie wir es auch nicht als „magisch“ Empfinden, das die Klangproduktion eines ganzen Symphonieorchesters aus einem kleinen technischen Gerät heraus ertönt, obwohl kein Orchester am Ort zugegen ist und es sicherlich nicht in das Gerät hineinpassen würde.
Für einen Menschen aus einer anderen Zeit oder Kultur, der nie mit Radioempfang in Berührung kam, aber schon Musikorchester kennt, müsste es dagegen zwangsläufig als eine Form von Magie erscheinen.
Tatsächlich ist es meistens so, dass das Erleben als Stellvertreter im Feld sich normal, fast alltäglich, anfühlt. Es ist meist nichts Besonderes, geschweige denn Dramatisches dabei. Und im Erleben meist auch nicht viel „Geheimnisvolles“. Im Gegenteil: Viele Eindrücke als Stellvertreter sind eher beiläufig. Also: Während man als Stellvertreter agiert, gibt es keinen Anlass zum Wundern. Das Wundern – und auch das Zweifeln – passiert erst im Nachhinein, wenn ich anfange, darüber nachzudenken. Wenn ich mich frage: Wie kann das sein?
Und hier ist es dann wirklich ähnlich, wie beim Radioempfang: Die alltägliche Nutzung geschieht in der Regel beiläufig und mit größtmöglicher Selbstverständlichkeit. Erst wenn ich anfange, mir das WIE genauer vorzustellen, all die vielen Transistoren und Schaltkreise, die Bewegungsformen von Elektronen in Leiterbahnen, die Transformation dieser Bewegungen von Elementarteilchen in für menschlicher Ohren wahrnehmbare Schallfrequenzen, die dann auch noch in Form von Sprache oder Musik Bedeutung tragen – DIES kann einen dann schon wieder zum Staunen und zu ein wenig Ehrfurcht vor den Leistungen des menschlichen Geistes und der Technik bringen. Aber wie gesagt: Solange ich nicht darüber nachdenke, ist hier kein Staunen, sondern größte Selbstverständlichkeit und Beiläufigkeit in der Nutzung.