Unpersönliche Gestalten in einer Aufstellung: Häuser, Wohnungen, Betriebe und Ähnliches

In diesem Beitrag soll es noch einmal darum gehen, dass manchmal in einer Aufstellung Positionen aufgestellt werden, die nicht Personen, konkrete Menschen sind. Nach dem es im vorletzten Beitrag um Länder oder Gebiete als Heimat ging und im letzten Beitrag um Krankheiten und Symptome, soll es hier um einige Weitere Gegebenheiten gehen, die man manchmal mit aufstellen muss, weil sie in engem Bezug stehen zu dem seelischem Geschen, welches als Anliegen eines Menschen das Thema der Aufstellung ist.

Häuser oder Wohnungen

Manchmal spielen Häuser oder Wohnungen so in ein Anliegen hinein, dass man sie als eigene Position aufstellen sollte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Haus oder die Wohnung schon länger, über mehrere Generationen hinweg, im Besitz der Familie ist. Die Bedeutung ist mitunter auch noch einmal stärker, wenn für das Thema wichtige Vorfahren oder gar man selber in diesem Haus geboren wurde.

Es mag auf den ersten Blick etwas merkwürdig erscheinen, wenn man z.B. ein Haus nicht nur aufstellt und dann die Person, um die es geht, fragt, wie es ihr mit dem Haus geht, sondern auch das Haus danach fragt, wie es ihm mit der Protagonistin oder dem Protagonisten geht. Hier stellt sich vielleicht die Frage, hat ein Haus überhaupt eine Stimme, ein Wollen, hat ein Haus etwas Seelisches?  
Ob ein Haus eine Seele hat, weiß ich nicht wirklich zu sagen. Aber es gibt etwas – da bin ich mir inzwischen durch Beobachtung in Aufstellungen recht sicher – was man am besten so beschreiben kann: Manchmal ist sozusagen in dem Gemäuer ein Geist eingewoben, zum Beispiel eben der Geist einer Familie über mehrere Generationen, der Geist der Ahnen. Und was dann über das Haus in der Aufstellung spricht, ist vielleicht der Geist der Vorfahren, die sich hier melden.

Grundsätzlich ist es meist so in den Aufstellungen, wenn man ein Haus wie eine Person sprechen lässt, dass ein Haus gerne einen guten Raum oder guten Rahmen bietet, für die Menschen, die es bewohnen. Das Haus ist zufrieden, wenn es belebt ist, wenn es den Bewohnern gut geht und insbesondere auch, wenn in dem Haus neues Leben einen Ort zum Aufwachsen findet, Häuser freuen sich oft über Kinder.

Es gibt aber noch etwas Anderes was hier eine Rolle spielen kann. Wenn den Bewohnern eines Hauses schweres Unrecht angetan wurde mit Bezug zu diesem Haus oder zu Wohnungen in diesem Haus, dann haftet auch dies im Gemäuer und wirkt auf spätere Bewohner, wenn auch mitunter sehr unterschwellig. Im Nationalsozialismus wurden Juden deportiert und ermordet und natürlich waren manche dieser Juden auch Immobilienbesitzer. Die entsprechenden Häuser oder Wohnungen wurden dann „arisiert“, gingen dann an sogenannte „Volksdeutsche“, oft zu einem Preis weit unter Wert. Und dann schwebt in dem Haus eben der geistige Abdruck dieses Geschehens: Das Unrecht aber auch, dass die neuen Bewohner einen Vorteil aus dem Unrecht an den alten Bewohnern gezogen haben.

In so einem Fall ist es zentral, dass das Unrecht und das schwere Schicksal der früheren jüdischen Bewohner anerkannt und gewürdigt wird.

Ähnlich gelagert dürfte der Fall sein, wenn neue Bewohner in Häuser einziehen, deren frühere Bewohner vertrieben wurden, meist unter Zurücklassung des gesamten Inventars wie Möbel und persönliche Gegenstände. Dies ist etwa im Rahmen der „Westverschiebung“ Polens nach dem zweiten Weltkrieg in vielen Fällen passiert. Und die neuen polnischen Bewohner von Häusern und Wohnungen, in denen ehemals Deutsche lebten, waren oft selber Vertriebene aus dem früheren östlichen Teil Polens, der dann zum Staatsgebiet der UdSSR gehörte. Man kann sich leicht vorstellen, dass durch die Übernahme von Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen der früheren Bewohner der Geist dieser ehemaligen Bewohner noch einmal deutlicher präsent ist.

Ich stand auch einmal als Stellvertreter für ein Haus in einer Aufstellung und in diesem Haus war ein Mord an dem Besitzer begangen worden, um sich danach das Haus anzueignen. Der Mord war nie polizeilich ermittelt oder gesühnt worden. Und die Empfindung in der Stellvertretung war eine starke Empörung. Das Haus fühlte sich empört über das Schicksal des früheren Besitzers, über die Tat und insbesondere über die Vertuschung der Tat. Es fühlte sich so an, als ob das Haus böse sei auf die jetzigen Bewohner, welche aber schon die nächste Generation nach dem Täter war. Tatsächlich lag wohl – wie man manchmal sagt – kein Segen auf diesem Immobilieneigentum für die nachfolgenden Bewohner. Es kam zu allerlei in der Häufung schwer erklärbaren Schäden, welche auf die Dauer die Finanzmittel der Nachgeborenen des Täters arg belasteten und es soll eine als „unheimlich“ beschriebene Atmosphäre in dem Haus geherrscht haben.

Firmen und Betriebe

Auch Firmen und Betriebe können eine seelische Auswirkung auf Menschen haben und sind deshalb manchmal in Aufstellungen vertreten. Dies gilt natürlich insbesondere, wenn es um Familienbetriebe handelt.

Wenn der Betrieb oder das Geschäft von der Person, für welche die Aufstellung gemacht wird, selbst gegründet wurde ist ein Zusammenhang mit einem wichtigen seelischem Thema oft unmittelbar evident. Die Gründung eines Unternehmens oder eines Betriebes entfaltet mitunter eine Eigendynamik, das Unternehmen verlangt für sein Gedeihen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Energie. Die Wirkung eines selbst gegründeten Unternehmens ist in mancher Hinsicht auf der seelischen Ebene vergleichbar mit einem eigenen Kind.

Aber auch für Nachfahren der Gründer können solche Familienbetriebe eine seelische Relevanz haben. Über das Unternehmen wirkt auf die Nachfahren der Geist der Ahnen. Die Entscheidung, seinen beruflichen Weg in diesem Familienunternehmen zu gestalten oder eben nicht, ist dann nicht mehr dasselbe wie wenn ich mich im Rahmen von Bewerbungen für den einen oder anderen Arbeitgeber entscheide, mit dem ich aber ansonsten nicht weiter verbunden bin. Die Entscheidung gegen eine Position in einem Familienunternehmen kann sich wie eine Entscheidung gegen die Vorfahren anfühlen. Und in manchen Fällen stellt es sich in einer Aufstellung so dar, dass für den beruflichen Erfolg außerhalb des Familienunternehmens nicht nur das Einverständnis und der Segen der Eltern nötig ist, sonder also ob auch der ausdrückliche Segen des Unternehmens erforderlich ist, um wirklich frei zu sein für eine Tätigkeit außerhalb des Familienbetriebes.

Mir scheint auch, dass ein solcher Einfluss besonders bei landwirtschaftlichen Betrieben besonders stark ist. Ich erinnere mich an eine Aufstellung, die für den Sohn eines Landwirtes durchgeführt wurde. Dieser hatte den väterlichen Hof, der seit Generationen im Familienbesitz bewirtschaftet wurde, nicht übernehmen wollen. Er war zum Studieren in eine Großstadt gezogen, hatte das Studium sehr erfolgreich absolviert, hatte aber große Schwierigkeiten in dem entsprechenden Berufsfeld Fuß zu fassen. In dieser Aufstellung haben wir auch den Hof aufgestellt und es war deutlich, dass es der Hof war, viel mehr als der Vater des Klienten, dem es wichtig war, dass der Hof in der Familientradition weiter geführt wurde. Es fiel dem Hof sehr schwer, sich mit der Vorstellung anzufreunden, dass er in naher Zukunft verkauft und in neue Hände übergehen würde. Und es sah so aus, also ob diese seelisch-geistige Wirkung des Hofes einen beruflichen Erfolg des Klienten in dem fremden Berufsfeld abseits der Landwirtschaft behindern würde. Er hat dann im Rahmen der Aufstellung den Hof gebeten, ihn frei zu geben für eine andere berufliche Tätigkeit. Dies kostete den Hof – in der Empfindung des Stellvertreters – einige Überwindung. Aber als der Hof sich dazu durchrungen hatte, dem Klienten den Segen zu geben für den beruflichen Erfolg abseits der Landwirtschaft, hatte dies eine entscheidende Stärkung und Erleichterung bei dem Klienten zur Folge.

Der Wechsel des beruflichen Tätigkeitsfeldes

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch etwas erwähnen, was ich in Aufstellung immer wieder einmal sehen konnte und bei dem man es auch mit Gestalten in der Aufstellung zu tun hat, die nicht wirklich menschliche Personen sind.

Wenn ein Mensch nach längerer Zeit in einem bestimmten beruflichen Feld sich dazu entschließt, einen Neuanfang in einem ganz anderen beruflichem Tätigkeitsgebiet zu betreiben, dann ist auch hier in vielen Fällen für das Gelingen der Segen des alten Berufes wichtig. Natürlich wechselt man ein berufliches Feld nur dann, wenn man mit der bisherigen beruflichen Tätigkeit nicht mehr zufrieden ist oder nicht mehr gut zu Recht kommt. Bei einer solchen Entscheidung wird ein Mensch daher natürlich meist keine besonders guten Gefühle für die bisherige Tätigkeit hegen. Es ist ja das, wovon ich weg möchte. Vielleicht, weil es mich nicht mehr erfüllt. Vielleicht weil mir die Sinnerfüllung in dieser Tätigkeit abhanden gekommen ist.

Es ist also nicht gerade naheliegend, sich positiv auf diese Tätigkeit und dieses Berufsfeld zu beziehen. Aber gerade dann erweist sich (meist) als notwendig, sich noch einmal in Dankbarkeit dem Beruf, den ich zu verlassen gedenke, zuzuwenden. Es geht um die Dankbarkeit dafür, was mir der alte Beruf gegeben hat und war mir ermöglicht hat, gerade wenn ich länger in ihm tätig war. Im Kern geht es darum, dem alten Beruf, vertreten durch eine Stellvertreterperson, noch einmal in die Augen zu schauen und zu sagen: „Danke, dass du mich all die Zeit ernährt hast, mir ermöglicht hast, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten!“ Das ist ja nicht gerade unwichtig. Und manchmal ist vielleicht auch ein Dank angebracht für das, was man in diesem Beruf lernen konnte und durfte.

Auch hier wirkt es sich günstig aus, wenn der alte Beruf mir den Segen erteilt für den Erfolg im neuen Beruf. In der Tat ist es oft so, dass der Stellvertreter für den neuen Beruf in der Aufstellung erst dann eine gute Beziehung zum Klienten aufbaut, wenn dieser sich in Dankbarkeit vom alten Beruf verabschiedet und dessen Segen erhalten hat.